Protoevo 2006 9
Im September feiert der Stadtverband der CDU Tönisvorst sein 60-jähriges Bestehen. Am 23. Dezember 1945 wurde die CDU Vorst gegründet, am 21. Januar 1946 der St. Töniser Ortsverband. Einige Mitglieder erinnern sich an die verschiedenen Stationen in der Parteiengeschichte.

„Ich war 20 Jahre, als der Krieg aus war. Wir waren total verunsichert und fragten uns: Was kommt jetzt?“ – so erinnert sich Dr. Wolf-Peter Kaser, heute 81 Jahre alt und langjähriges Mitglied der CDU in St. Tönis und später Tönisvorst, an die Gründungsphase der Partei in Deutschland. Er selber sei nach dem Kriegsende mit dem Zug aus Süd-Deutschland ins Rheingebiet gekommen und musste in Köln-Kalk aussteigen, weil ab da die Gleise zerstört waren. „Als ich über eine provisorische Rheinbrücke ging, saß da ein Mann und verteilte Flugblätter der CDU – der christlich-demokratischen Union. Da dachte ich: Natürlich, das ist die einzige Alternative!“


Die CDU war für Kaser die Alternative gegen die damalige Zeit der Wertelosigkeit, „es gab keine Achtung vor dem Leben oder dem Eigentum“, beschreibt er das zerstörte Nachkriegsdeutschland. Als er dann nach St. Tönis zurückkehrte, habe er mitbekommen, dass sich dort eine CDU gegründet habe: „Ich kannte viele, die dabei waren“, Parteimitglied wurde er allerdings erst 1962.


Ein wichtiges Thema der ersten Nachkriegsjahre sei vor allem die Unterbringung der Menschen gewesen, vor allem der vielen Vertriebenen aus dem Osten: Von etwa 7000 Einwohnern in 1945 stieg die Zahl auf etwa 9000 Menschen in 1946. An der Lösung dieser Frage habe damals Fritz Adams, der Bauamtsleiter, mitgewirkt und das Ergebnis sieht Kaser heute noch: „Was mir heute fast täglich positiv auffällt, ist das Kirchenfeld als eine gelungene Zuordnung eines neuen Baugebietes an den alten Ortskern.“

Kaser schildert, dass der 16 Jahre lang die Entwicklung der CDU verfolgt habe, dann sei in der Zeit 1962 bis 1964 eine neue Situation entstanden: 50 bis 60 Leute traten ein, quer durch alle Schichten. „Es war eine unheimliche Aufbruchsstimmung, eine hohe Motivation, etwas zustande zu bringen. Sie hatten das Bedürfnis, etwas für die Gemeinschaft zu tun“, beschreibt Kaser die neue CDU.
Die Ziele in den 60er Jahren seien umfassend gewesen: Das erste Hauptziel war der Bau des Schwimmbads, das 1969 eröffnet wurde: „Dafür haben wir gesammelt, einer hat aus Scherz eine Kanne Wasser gespendet“, erinnert sich Kaser, der von 1970 bis 1979 Vorsitzender des Planungsausschusses in der damaligen neuen Gemeinde Tönisvorst war. Ein anderer, allen bekannter Bürger, spendete 30 000 D-Mark. Das Hauptthema war die Ortskernsanierung: „Es ist viel erreicht worden, aber sie ist heute immer noch nicht abgeschlossen und beschäftigt mich weiterhin intensiv.“

Eine der ersten Frauen in der CDU war Henny Schlossmacher – heute 73 Jahre alt. Sie trat 1949 in die CDU ein, mit 16 Jahren. „Ich kam dazu über Verwandte, die sehr an der Politik interessiert waren“, erinnert sie sich. Mit einigen jungen Leuten gründete sie die erste Junge Union, „das ging aber in die Binsen, weil wir zu jung waren.“ Die politische Arbeit habe sie als Frau nicht als schwer empfunden, sondern „wir waren auch sehr selbstbewusst, uns konnte man nicht angreifen.“ Die Frauen hätten sich immer bemüht, „nicht auf die Männer drauf zu kloppen, sondern mit denen zu arbeiten.“

Im Jahr 1970 mit der kommunalen Neugliederung kam eine wesentliche Herausforderung auf die beiden CDU-Verbände St. Tönis und Vorst zu. Die friedliche Vereinigung wurde gezielt zum Beispiel über die Mischung der Bewerber auf der Reserveliste erreicht. In den 70er Jahren gewannen dann auch die Frauen in der CDU weiter an Bedeutung: Zuerst waren schon Frauen wie die Lehrerinnen Abels und Leppers Mitglieder der CDU, dann trat unter anderem Ingrid Köffers 1972 in die CDU ein und gründete mit Henny Schlossmacher noch innerhalb eines Jahres die „Frauenunion“. „Ich bin eingetreten aus Ärger, weil Willy Brandt Kanzler war und ich war sauer, weil die CDU nicht genug für die Frauen tat“, erinnert sich Ingrid Köffers, die heute 66 Jahre ist. Sie habe sich deswegen um Themen wie Kinder, Schule oder Radwege gekümmert, „das wurde vorher nicht behandelt.“ Der damalige Parteivorsitzende Gerhard Schalm „war uns Frauen immer sehr gut gesonnen, damals ging es mit der Partnerschaft los.“ Sie haben sich nicht mit den Frauenthemen abspeisen lassen, erinnert sie sich: „Ich war im Finanzausschuss, Henny Schlossmacher im Planungsausschuss – und bei den Ausflügen mit der Partei habe ich Bier trinken gelernt.“

Als die CDU 1974 bei der Kommunalwahl 51 Prozent der Stimmen erhielt, „ging es los. Damals ist uns soviel gelungen, alles, was in der Schublade lag, wurde umgesetzt“, erinnert sich Köffers. 1974 trat der heute 66-jährige Hubert Jenner aus Vorst in die CDU ein. Für ihn sind die Vereinigungen – wie die Frauenunion, die von Günter Körschgen wieder gegründete Junge Union oder später die MIT – ein wesentlicher Faktor für die eigene Parteigeschichte. Damit konnten die einzelnen Bevölkerungsschichten zielgerichtet in die Politik eingebunden und die parteiinternen Diskussionen wirkungsvoll belebt werden. Von Bedeutung in dieser Zeit sei der Umgang mit den eigenen Mitgliedern gewesen, erinnert er sich. So habe die CDU auch junge Leute zum Zuge kommen lassen und ihnen Verantwortung übertragen: „Alex Benens gab für mich seinen eigenen guten Wahlkreis auf und nahm einen schlechteren.“ Was sich heute diesbezüglich manchmal in der CDU abspiele, zeuge von wenig Einfühlungsvermögen und geringer Weitsicht, kritisierte er. Zum Thema Vereinigung der beiden Ortsteile habe der Ortsausschuss Vorst wesentlich beigetragen, auch die lange Jahre existierende Funktion des Vorster „Ortsbürgermeisters“, erinnert sich Jenner, der dieses Amt fünf Jahre inne hatte.

Ein Schlag für die politische Arbeit sei die Gründung der UWT gewesen, darin sind sich alle drei einig. Viele seien aus den etablierten Parteien gewechselt, weil sie persönliche Gründe hatten, „da wurde gezeigt, dass nicht mehr die Stadt im Mittelpunkt stand“, so die drei. Die Wahl in den Rat ist keine Ehrung, sondern ein Auftrag: „Du sollst die Kraft für den Bürger einsetzen.“ Die UWT habe eine wirksame Opposition betrieben, da sei viel Energie verloren gegangen, das sei heute noch so und koste viel Zeit.

Für die Zukunft fordern alle Veränderungen in der Partei, vor allem mit Rücksicht auf den demographischen Faktor. Es seien zur Zeit wenige Leute mit vielen Funktionen aktiv, das müsse sich ändern, erklärt der amtierende Parteivorsitzende Reinhard Maly. Politische Arbeit und Verantwortung müssen auf mehr Schultern verteilt werden: „Die CDU muss wieder das Vertrauen aller Bürger, insbesondere der jüngeren Generation gewinnen, sie braucht ein Umdenken. Wir müssen zum einen in unserer Arbeit transparenter werden, zum anderen müssen wir besonders die kommunalpolitischen Themen dem Bürger besser darlegen“, so Maly.
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