Mega-Projekt Campus Tönisvorst

Erstellt: Montag, 26. Juli 2021 09:56

Campusgelaende
Auswirkungen auf den Mittelstand

Tönisvorst 26. Juli 2021

Die Stadtverwaltung hat in der Ratssitzung vom 1. Juli vorgeschlagen, für fast 140 Millionen Euro auf einer 52.000 Quadratmeter großen Ackerfläche am Wasserturm in St. Tönis ein Verwaltungsgebäude und einen Schulcampus mit acht Lernhäusern, einem Forum und einer Dreifachturnhalle mit einem Sportplatz auf dem Dach bauen zu lassen. Die Errichtung des Verwaltungsneubaus war bereits beschlossene Sache; die Idee des Campus für Gesamtschule und Gymnasium war zu diesem Zeitpunkt erstmalig zur Diskussion gestellt worden.

Die Vorstellung eines Projektes in dieser Größenordnung ohne Darlegung zur finanziellen Durchführbarkeit stößt bei der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der Stadt Tönisvorst (MIT) auf massive Kritik.

Die Stadt Tönisvorst kann nicht auf wesentliche Mittel zurückgreifen, über deren Verwendung man nachdenken kann. Die Finanzierung würde schlicht durch Zuschüsse und Kredite erfolgen. Und da liegt aktuell die größte Baustelle, da weder die tatsächlich in Anspruch zu nehmende Kreditsumme bekannt ist, noch eine Idee über die Rückzahlungsmodalitäten oder die Zinsrisiken über die Laufzeit eines Darlehens existiert.

MIT Vorsitzender Georg Körwer fragt sich, "wo soll denn das Geld zur Rückzahlung eines solch hohen Darlehens herkommen? Ein Blick in die Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2021 jedenfalls sagt deutlich, dass sich die Liquiditätslage bis zum Jahr 2024 um fast 40 Millionen Euro laut Planung verschlechtern wird. Wo soll denn hier Geld frei werden in Millionenhöhe, um jährliche Tilgungsleistungen erbringen zu können? Solange es hier kein Konzept gibt, befinden wir uns offenbar in einer Märchenstunde für Ratsmitglieder." Letztendlich steht zur Entscheidung, wie hoch die Neuverschuldung der Stadt Tönisvorst ausfallen wird und natürlich, welche Generation die Investitionen in das Projekt Campus zu bezahlen hat.

Der Haushalt der Stadt Tönisvorst für das Jahr 2021 musste bereits durch die Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Die Genehmigung des Landrats, Herr Dr. Coenen, war begleitet durch besorgte Worte hinsichtlich des deutlichen Negativtrends bei der Liquiditätslage. Herr Dr. Coenen wies die Verwaltung darauf hin, Einnahmequellen zu erschließen, um der negativen Entwicklung unserer Haushaltslage über die nächsten Jahre entgegen zu wirken. Mit dem Projekt Campus erreicht man aber genau das Gegenteil: die Zinsaufwendungen belasten die Ertragslage zusätzlich und die finanzielle Lage wird noch weiter verschlechtert - unabhängig von der noch offenen Frage, wie denn ein solcher Kredit überhaupt zurückgezahlt werden kann.

Anke Dubberke (Geschäftsführerin) stellt fest, "dass den Überlegungen bis jetzt jeglicher kaufmännischer Grundgedanke fehlt. Statt den Blick auf die vorhandenen Mittel und den finanzierbaren Rahmen zu richten, wird die - sicherlich beeindruckende und zu diskutierende - Wunschkiste ausgepackt und hinterlässt Dutzende unbeantworteter Fragen bei allen Fraktionen."

"Geld kostet nichts" - scheint das Gebot der Stunde zu sein, und "bei Negativzinsen verdient man noch Geld". Vergessen wird dabei, dass bei langfristigen Finanzierungen Negativzinsen unrealistisch sind die aufgenommene Darlehenssumme wieder zurückgezahlt werden muss.

Auch in den vorgestellten Projektkosten scheinen noch viele Risiken zu stecken, die sorgfältig überdacht werden müssen. Insbesondere die aktuelle Explosion der Kosten für Baumaterialien könnte zu einer deutlichen Erhöhung der Projektkosten führen.

Vorstandsmitglied Günter Stammes weist darauf hin, "dass ein Abriss des noch relativ neuen Schulzentrums nebst Sporthalle an der Corneliusstraße einem nachhaltigen Denken widerspricht und eine gigantische Steuerverschwendung bedeutet. Darüber hinaus sei die die Versiegelung des wertvollen Ackerbodens am Wasserturm aus ökologischer Sicht nicht vertretbar.

Neben dem fehlenden Finanzkonzept anderen Aspekten sind aus Sicht der MIT weitere Konsequenzen für unsere mittelständischen Unternehmen zu überdenken.

Beteiligung des Tönisvorster Mittelstands an den Baumaßnahmen

Annette Hegger (Schatzmeisterin) befürchtet, dass die Umsetzung der Baumaßnahmen an den Tönisvorster mittelständischen Unternehmen vorbeigeht. Nicht zu unterschätzen sind hierbei die Gewährleistungsfragen. Vermutlich sind bei einem solchen Projekt die Baupartner Großbetriebe, die entsprechende Gewährleistungsbürgschaften übernehmen können. Der Umgang mit Baumängeln und einhergehend mit den entsprechenden Prozessrisiken sollte in das Risikokalkül einbezogen werden.

Kaufkraftverlagerung aus der Innenstadt in den Randbereich Gewerbegebiet Höhenhöfe

Die MIT befürchtet durch die Verlagerung der Schulen an den Rand von St. Tönis eine Schwächung des Einzelhandels in der Innenstadt. Sowohl die Mitarbeiter der Verwaltung als auch die Nutzer des geplanten Schulkomplexes würden vermutlich ihre Einkäufe eher im Gewerbegebiet Höhenhöfe vornehmen, insbesondere vor dem Hintergrund eines Parkplatzes im Gewerbegebiet Höhenhöfe. Auch Bürger, die Dienstleistungen der Verwaltung in Anspruch nehmen würden, würden ihre "Besorgungswege" so optimieren, dass sie neben dem Besuch der Verwaltung ihre Einkäufe schnell parkplatznah erledigen werden. Gleiche Befürchtungen wurden von den Einzelhändlern der Innenstadt geäußert, die die Wege ihrer Kunden am besten kennen.

Kontraproduktivität beim Ziel der Ausweitung von Gewerbeflächen

Bekanntlich ist die Stadt Tönisvorst nicht gesegnet mit übermäßig vielen Gewerbeflächen. "Die Entwicklung neuer Gewerbeflächen wie zum Beispiel auf dem ehemaligen Cray Valley Gebiet nehmen Jahre in Anspruch bzw. scheinen einfach still zu stehen", betont Maik Giesen (MIT Kreisvorsitzender) immer wieder. Die Pandemie Zeit ab April 2020 hat gezeigt, dass die Gewerbesteuereinnahmen in Tönisvorst im Vergleich zu anderen Gemeinden des Kreises Viersen nicht eingebrochen sind, was auf einen gesunden Mix an gewerblichen Unternehmen zurückzuführen ist. Dieses Potenzial gilt es durch die Ansiedlung neuer Gewerbeunternehmen weiter auszubauen, um die Gewerbesteuereinnahmen zu steigern. Der Vorschlag, die Nutzung von potenziellen Gewerbeflächen im Gebiet Höhenhöfe für Parkplätze für den geplanten Komplex Campus Tönisvorst zu nutzen, erscheint dabei höchst kontraproduktiv.

Erhöhung der Hebesätze für die Gewerbe- und die Grundsteuer

Die Stadt Tönisvorst hat im Kreis Viersen bereits aktuell die höchsten Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer aufzuweisen. Es ist zu befürchten, dass die Hebesätze weiter angehoben werden müssen, um die regelmäßige Rückführung des Darlehens gewährleisten zu können - die aktuelle Haushaltssatzung jedenfalls gibt den Spielraum zu Rückzahlungen nicht her. Das Mega-Projekt ist aktuell noch mit so vielen Fragen versehen, dass man trotz der Anfangs-Euphorie aufpassen muss, dass es nicht ein Mega-Flop wird.

Bild: Stadt Tönisvorst (Machbarkeitsstudie vom 1.7.2021)